Soul&Thunder in der LN – „Im Fußball fehlt der Respekt“
09.11.2013
Lübeck — Heiko Reinhardt, aktiver Thaiboxer, ehemaliger K1-Europameister und Kreisliga-Fußballer beim VfB Lübeck III hatte auf LN-Sportbuzzer.de mit seiner These „Boxen ist fairer als Fußball“ für reichlich Gesprächsstoff gesorgt. Im LN-Interview erläutert der 32-Jährige, was er damit meint.
LN: Herr Reinhardt, können Sie uns den Hintergrund dieser Aussage erklären?
Reinhardt: Es ist ganz einfach eine Beobachtung, die ich in den letzten Jahren gemacht habe. Beim Fußball ist es so, dass viele durch rüde oder versteckte Fouls billigend Verletzungen in Kauf nehmen. Das kenne ich vom Thaiboxen nicht.
LN: Sind derartige Fouls im Fußball zum Problem geworden?
Reinhardt: Sie treten zumindest häufiger auf als früher. Ich beobachte, dass im Fußball ganz generell der Respekt fehlt und die Hemmschwelle sinkt.
LN: Worin drückt sich das aus?
Reinhardt: Wenn man hört, was Spieler sich auf Fußballplätzen so verbal um die Ohren hauen, dann stimmt mich das nachdenklich. Im Thaiboxen gibt es vor dem Kampf ein festgelegtes Ritual, den Wai Khru. Das ist ein Tanz, der einzig und allein das Ziel hat, Respekt vor dem Schiedsrichter und dem Gegner zu bekunden. Ich meine nicht, dass im Fußball getanzt werden soll. Aber warum ist es nicht möglich, sich vor und nach dem Spiel die Hand zu reichen? Man geht auf den Platz mit Respekt, man sollte den Platz auch so wieder verlassen.
LN: Sie erwähnten die Schiedsrichter . . .
Reinhardt: . . . damit habe ich fast das größte Problem: Schiedsrichtern wird so gut wie kein Respekt mehr entgegegen gebracht. Das betrifft Spieler und Trainer. Auch Eltern beim Jugendfußball. Und das auf größter Bühne: Ein Jürgen Klopp gehört für mich gesperrt! Ich verstehe, dass da Adrenalin im Spiel ist. Aber das ist keine Entschuldigung dafür, einfach das Gehirn auszuknipsen.
LN: Sie spielen da auf die Szene beim Champions-League-Spiel gegen Marseille an, als Klopp dem vierten Offiziellen beinahe an die Gurgel ging. Sind Schiedsrichter im Fußball überfordert?
Reinhardt: Ja. Beim Boxen — egal, ob Schwergewichtsboxen, K1 oder Muaythai — ist der Referee nur auf zwei Sportler fixiert. Beim Fußball müssen maximal drei Referees auf 22 Spieler achten. Trainer und Fans kommen dazu. Da ist es schwierig, die Kontrolle zu behalten.
LN: Wie leben Sie den Respekt vor — in Ihrem Box-Gym und auf dem Fußballplatz?
Reinhardt: Ich versuche da, mit gutem Beispiel voranzugehen. Der Boxsport wird oftmals in einem völlig falschen Licht dargestellt, das würde ich gern ändern. In meinem Gym sind Respekt und gewisse Moralvorstellungen ein Muss — ohne geht‘s nicht. Und auch meinen VfB-Kumpels versuche ich natürlich, von meinen Erfahrungen etwas mitzugeben. Boxen ist schließlich keine Schlägerei.
Interview: Sönke Gorgos
Zur Person
Heiko Reinhardt, geboren am 8. Mai 1981, spielt seit seinem fünften Lebensjahr Fußball. Über Groß Grönau und Dornbreite kam er zum VfB III. 2011 wurde er in der Hansehalle Kickbox-Europameister, 2012 erlitt er einen Bandscheibenvorfall. Im Mai eröffnete er ein Boxgym in der Kronsforder Allee.